Box in a suitcase trifft Suzanne Vega zum Interview
Mit ihrer klaren Stimme, einem mädchenhaften Auftreten und poetischen Texten schrieb Suzanne Vega Ende der Achtziger Musikgeschichte. Wie kaum einer Zweiten gelang es ihr mit Songs ganze Geschichten zu erzählen. Ihre Lieder sind wie kleine Filme die vor unserem inneren Auge ablaufen. Gerade deshalb blieben uns Hits wie „Tom’s Diner“ oder „Luka“ bis heute im Gedächtnis – und haben auch Suzannes berühmten Kollegen Prince inspiriert. Suzanne selbst findet ihre größte Inspiration in der Literatur von Carson McCullers. Der amerikanischen Schriftstellerin widmete sie jetzt sogar ein ganzes Album. BOX IN A SUITCASE hat sie vor ihrem Arte Berlin Live Konzert zum Gespräch getroffen.
Ihr neues Album, das im Herbst erscheint, ist ein Konzeptalbum. Die Songs basieren auf den Romanen von Carson McCullers, der Sie auch schon ein Theaterstück gewidmet haben. Was fasziniert Sie so an dieser Schriftstellerin?
Ich habe schon als Teenager angefangen, Carson McCullers zu lesen und ihre Literatur vom ersten Moment an geliebt. Sie hat eine starke, einzigartige Stimme, eine sehr wahre Stimme, und so wuchs aus dieser Begegnung ein Interesse an ihrer Arbeit und ihrer Person, dass mich mein ganzes Leben lang begleitet hat. Sie war eine sehr moderne Frau, die sich mit Themen wie Sexualität, Genderfragen, Bürgerrechten, den Rechten von Schwarzen in Amerika beschäftigt hat. Das alles sind Themen, die auch gegenwärtig sehr aktuell sind. Deshalb habe ich immer eine gewisse Seelenverwandtschaft zu ihr verspürt.
Es gibt Fotos, auf denen Sie Carson McCullers sogar ähnlich sehen. Wo gibt es noch Übereinstimmungen zwischen Ihnen?
Sie hat sehr diszipliniert gearbeitet und jeden Tag ihres Lebens geschrieben. Ich kann das nicht ganz von mir behaupten, aber ich schreibe ebenfalls mit großer Sorgfalt und Umsicht, auch ich brauche lange um ein Projekt zu beenden. Sie hatte hohe Ansprüche an sich selbst, das habe ich auch. Ich denke das haben wir gemeinsam.
Was haben Sie aus der Beschäftigung mit Carson McCullers gelernt?
Ich habe das Gefühl, dass sie die besondere Gabe hatte, in ihrer Arbeit die Perspektive anderer Menschen einzunehmen. Sie konnte zum Beispiel aus der Sicht eines alten, schwarzen Mannes schreiben. Und sie hat es überzeugend getan. Sie konnte aus der Sicht eines jungen Mädchens schreiben. Sie konnte sich in so viele Charaktere hineinversetzen und war immer authentisch dabei. Dass ist genau das, was ich mit meinen Songs versuche. Nicht nur meine Sichtweise zu erzählen, sondern auch die einer fremden Person. Von einem Menschen, der eine Stimme braucht. Ich sehe meine Lieder gerne als kleine Filme, die vor meinem inneren Auge ablaufen. Und die entweder eine Geschichte erzählen, die ich mir vorstelle, oder eine Geschichte die wahr ist.
Genau das haben sie auch bei Ihren großen Hits „Toms Diner“ und „Luka“ gemacht. „Luka“ erzählt zum Beispiel die Geschichte eines kleinen Jungen, der häusliche Gewalt erleben muss. Welche Geschichten und Menschen haben Sie zu diesem Lied inspiriert?
Ich war immer schon sehr inspiriert von Lou Reed, dem Musiker. Für mich war er furchtlos, er schrieb worüber er auch immer schreiben wollte. Über Gewalt zum Beispiel. Es gab nichts, wovor er Hemmungen gehabt hätte. Ich hatte das Gefühl häusliche Gewalt ist ein Thema über das geschrieben werden sollte. In meinem Haus wohnte damals dieser Junge, er hieß Luka, er war kein misshandeltes Kind, aber ich nahm seinen Namen, um diese Geschichte zu erzählen. Und war sehr überrascht dass die Leute sie verstanden. Ich war auch überrascht, dass das überhaupt jemand hören wollte. Denn als ich den Song die ersten Male spielte, schauten die Leute eher traurig oder verärgert. Es war mein Manager der dachte, das Lied könnte Erfolg haben. Er produzierte den Song und kaum wurde er im Radio gespielt wurde „Luka“ ein Hit.
Welche besondere Geschichte verbinden Sie mit dem Song „Luka“?
In dem Jahr, als Luka erschien, 1987, erhielt ich einen Brief. Er war von Hand geschrieben und unterzeichnet mit „Prince“, es war ein wunderschöner Brief, auf den eine Blume gemalt war. Prince schrieb: „Liebste Suzanne, ich Danke Dir für Luka, jedes Mal wenn ich das Lied höre.“ Das hat mich sehr bewegt. Ich habe den Brief gerahmt und er hing viele Jahre lang bei mir an der Wand.
Das Berlin Live Konzert mit Suzanne Vega ist am 7. Oktober auf Arte zu sehen.